Zivildienst-Studie bestätigt gesellschaftlichen und ökonomischen Nutzen des Zivildienstes

Foto mit Zivildienstministerin Elisabeth Köstinger und Studienleiter Dr. Christian Grünhaus (WU)
Elisabeth Köstinger und Studienleiter Christian Grünhaus (WU) präsentierten die Zivildienst-Studie;

Der Zivildienst hat eine große Bedeutung für Österreich, sowohl gesellschaftlich als auch wirtschaftlich. Eine Studie der Wirtschaftsuniversität Wien bestätigt, dass der Zivildienst positive Wirkungen in Höhe von rund einer Milliarde Euro pro Jahr mit sich bringt.

Über 14.000 junge Männer setzten sich 2020 im Rahmen des ordentlichen Zivildienstes für die Gesellschaft ein. Dieser Dienst ist eine wichtige Säule unserer Gesellschaft. Das bestätigt nun eine neue Studie des NPO-Kompetenzzentrums der Wirtschaftsuniversität Wien im Auftrag der Zivildienstserviceagentur. Die Studie beschäftigt sich mit der Frage, welche gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen es hätte, wenn es das derzeitige Zivildienst-System nicht mehr gäbe.

„Wer Zivildienst leistet, hilft nicht nur seinen Mitmenschen, sondern leistet einen unverzichtbaren Dienst für die gesamte Gesellschaft. Eine neue Studie der WU Wien belegt den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen des Zivildienstes in Österreich: Die Einrichtungen könnten ihre Leistungen ohne den Zivildienst nicht aufrechterhalten. Außerdem würden sich 90 Prozent der befragten Zivildiener wieder für den Zivildienst entscheiden. Diese Ergebnisse zeigen eindeutig, wie wichtig und unverzichtbar der Zivildienst für unser Land ist.“
Elisabeth Köstinger

Die Studie zeigt, dass die Gesellschaft vom Zivildienst sowohl in sozialer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht profitiert. So trägt der Zivildienst zum Beispiel zu sozialer Kompetenz, Resilienz und Toleranz in der Bevölkerung bei. Ohne ihn würden aber auch hohe Kosten für die Einrichtungen, Gemeinden und Länder entstehen. Zusätzlich wäre damit zu rechnen, dass die Einrichtungen ihre Leistungen nicht mehr vollständig oder in dieser Qualität erbringen könnten. Misst man diesen positiven Wirkungen einen Geldwert zu, beträgt dieser rund einer Milliarde Euro pro Jahr.

„Der Zivildienst bringt den Menschen in Österreich ökonomisch und sozial positive Wirkungen in Höhe von rund einer Milliarde Euro pro Jahr. So werden von 14.600 Zivildienern knapp 13 Millionen Leistungsstunden überwiegend im Rettungsdienst und der Pflege und Betreuung erbracht. Dazu kommen noch 4,3 Millionen Stunden an Freiwilligenarbeit über 10 Jahre. Insgesamt sind das umgerechnet rund 2240 Jahre durchgehende Arbeit.“

Studienleiter Christian Grünhaus (WU)

Soziale Wirkungen des Zivildienstes

Einige der positiven Wirkungen des Zivildienstes auf die Gesellschaft haben damit zu tun, wie die Zivildienstleistenden selbst vom Zivildienst profitieren. 90 Prozent der befragten Zivildienstleistenden würden sich wieder für den Zivildienst entscheiden und sie berichten von vielfältigen Kompetenzen, die sie durch ihren Dienst erworben haben: Rund 74 Prozent gaben an, dass sie gelernt haben, besser auf unbekannte Situationen zu reagieren. 73 Prozent haben gelernt, besser mit Kundinnen und Kunden oder Patientinnen und Patienten umzugeben. 72 Prozent haben ein besseres Verständnis für kranke und ältere Menschen oder Menschen mit Behinderung entwickelt und 71 Prozent können sich nun besser in andere Menschen hineinversetzen. Außerdem berichten viele von mehr Fachwissen, einer größeren Belastbarkeit, mehr Teamfähigkeit, Eigenverantwortung, praktischen Fähigkeiten und vielen weiteren Kompetenzen (Zahlen gerundet, nach Angaben der Zivildienstleistenden). Die Zivildienstleistenden nehmen also sehr viel Positives aus ihrem Zivildienst mit. Davon profitiert auch ihr direktes Umfeld und die ganze Gesellschaft. Diese große Anzahl an jungen Männern, die mit mehr sozialen Kompetenzen und mehr Sensibilität für benachteiligte Gruppen aus dem Zivildienst kommen, wirkt sich positiv auf die Gesellschaft aus. Misst man diesen sozialen Effekten einen Geldwert zu, kommt man laut Berechnungen der Studie auf 115 Millionen Euro.

Grafik, 90 Prozent der befragten Zivildiener würden sich wieder für den Zivildienst entscheiden
Grafik: Gründe, sich für den Zivildienst zu entscheiden
Grafik: Erworbene Kompetenzen durch den Zivildienst

„Manche behaupten, der Zivildienst bringt jungen Männern nichts außer ein verlorenes Jahr. Sie selbst sehen dies zum überwiegenden Teil anders. So melden sich schon 73 Prozent zum Zivildienst, weil sie den Nutzen für die Gesellschaft sehen. Sie erwerben dann dort aber auch persönliche Fähigkeiten und Fachwissen, lernen im Team zu arbeiten, werden resilienter und haben ein höheres Verständnis für Menschen in schwierigen Lebenslagen.“

Studienautorin Constanze Beeck

Zivildienst als Türöffner ins Ehrenamt

Ein sehr wesentlicher positiver Aspekt des Zivildienstes ist seine Funktion als Türöffner ins Ehrenamt: 30,5 Prozent der Zivildienstleistenden bleiben im Anschluss als Ehrenamtliche in der Einrichtung. 5,6 Prozent beginnen, hauptamtlich dort zu arbeiten. Im Jahr 2019 führte das zu hochgerechnet 4.471 zusätzlichen Ehrenamtlichen in den gemeinnützigen Einrichtungen. Nach 10 Jahren sind noch durchschnittlich 18 Prozent der ehemaligen Zivildienstleistenden ehrenamtlich in der Einrichtung tätig. So ergeben sich über einen Zeitraum von 10 Jahren in Summe etwa 4,3 Millionen zusätzliche ehrenamtliche Stunden des Zivildienstjahrgangs 2019. Der Zivildienst ist also ein nachhaltiger Einstieg in das für unsere Gesellschaft so wichtige freiwillige Engagement.

Ökonomische Effekte des Zivildienstes

Eine Gesamtbeurteilung über alle relevanten Stakeholder, bei denen Kosten anfallen beziehungsweise die von Leistungen/Wirkungen profitierten, zeigt, dass der Zivildienst entsprechend seiner Form im Jahr 2019 für die Gesellschaft sehr vorteilhaft ist. Die positiven Effekte des Zivildienstes übersteigen die negativen Effekte und Kosten um insgesamt 679  Millionen Euro. Haupteffekt, mit etwa 630 Millionen Euro, sind die durch den Zivildienst gewonnen Ehrenamtlichen. Von einer Beibehaltung des Zivildienstes profitieren „wir Alle“ (die Gesellschaft), die Zivildienst-Einrichtungen, sowie die Zivildienstleistenden und deren Familien.

Bei einer hypothetischen Abschaffung des Zivildienstes haben die Zivildienst-Einrichtungen höhere Kosten bei einer geringeren Anzahl an Leistungsstunden, die erbracht werden können. Die Reduktion der Leistungen würde sich auf die Betreuungsquantität und -qualität auswirken, was bei der allgemeinen Bevölkerung negative Effekte hätte. Die Einrichtungen rechnen bei einer Abschaffung des Zivildienstes nicht damit, dass die durch den Zivildienst gewonnenen Ehrenamtlichen im gleichen Ausmaß durch andere neue Ehrenamtliche ersetzt werden könnten. Eine Abschaffung des Zivildienstes würde in einem Beobachtungszeitraum von 10 Jahren zu einem Verlust von Ehrenamtlichen führen, die circa 31,7 Millionen Stunden leisten würden.

Fazit der Studie

Die Studie rechnet positive und negative Wirkungen des Zivildienstes gegeneinander auf und kommt zu dem Ergebnis, dass die positiven Effekte des Zivildienstes die Kosten und negativen Effekte weit übersteigen, nämlich um insgesamt 679 Millionen Euro. Dabei profitiert in erster Linie die Gesellschaft. Während ihr durch den Zivildienst keine Kosten entstehen, kommt es zu vielfältigen positiven ökonomischen und sozialen Wirkungen, die insgesamt rund 74,5 Millionen Euro ausmachen.

Einen großen Teil der positiven Wirkung des Zivildienstes macht dabei der Effekt des Zivildienstes auf das ehrenamtliche Engagement aus. Dieser wird auf rund 630 Millionen Euro geschätzt. Würde der Zivildienst abgeschafft werden, müssten die Einrichtungen zusätzliche Hauptamtliche anstellen, was sie rund 117 Millionen Euro kosten würde. Die Kosten, die den Einrichtungen in diesem Fall entstehen würden, müssten zum Großteil von der öffentlichen Hand getragen werden. Dadurch hätten Länder und Gemeinden mit erheblichen Zusatzkosten zu rechnen. Zusätzlich müssten die Einrichtungen auch ihr Leistungsangebot wesentlich verringern, und zwar im Umfang von rund 712 Millionen Euro. Dieser Leistungswegfall würde sich negativ auf die Gesellschaft auswirken.

Methodik der Studie

Für die Analyse wurde ein Zivildienstszenario (Zivildienst existiert) mit einem Alternativszenario (Zivildienst wurde Ende 2018 ersatzlos abgeschafft) verglichen. Hierfür wurde eine erweiterte Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt, die soziale Wirkungen inkludiert. Als Referenzjahr wurde das Jahr 2019 gewählt. Für die Daten-Erhebung wurden Zivildienstleistende und Zivildienst-Einrichtungen per Fragebögen befragt. Darüber hinaus wurde auf Daten einer Vorgängerstudie aus dem Jahr 2012, auf Daten des AMS und der Zivildienstserviceagentur zurückgegriffen. An dieser Stelle gilt der Dank den Zivildienstleistenden und den Einrichtungen für ihre Offenheit und die rege Teilnahme.

Download Zivildienst-Studie 2019

Download Zivildienst-Studie 2012

Weiterführende Informationen