16. Österreich als Bundesstaat

Was ist ein Bundesstaat?

Bundesstaaten sind „föderal“ aufgebaut. Das heißt: Der Staat besteht aus zumindest zwei Ebenen. In Österreich heißt eine Ebene „Bund“ und die andere Ebene „Bundesländer“. Der Begriff „föderal“ leitet sich aus dem lateinischen Wort „foedus“ ab. Das bedeutet „Bündnis“.

Viele große Staaten der Welt sind Bundesstaaten: zum Beispiel Brasilien, Deutschland, Indien, Indonesien, Russland oder die USA. Es gibt auch kleinere Bundesstaaten: zum Beispiel Belgien, Österreich oder die Schweiz.

Das Gegenteil eines Bundesstaates ist der Zentralstaat. Zentralstaaten haben eine einzige Gesetzgebung und Vollziehung für den gesamten Staat. Demokratische zentralistische Einheitsstaaten sind zum Beispiel Finnland, Island oder Israel.

Österreich als Bundesstaat mit neun Bundesländern

Österreich ist ein Bundesstaat mit neun Bundesländern. Die Bundesländer sind in Gemeinden unterteilt, derzeit gibt es über 2.000 Gemeinden. Wien ist dabei ein Sonderfall: die Gemeinde Wien ist zugleich ein Bundesland und Bundeshauptstadt.

Wer vom „Bund“ spricht, meint Österreich als Ganzes. Wer von den „Ländern“ spricht, meint die einzelnen Bundesländer.

In Österreich sind die Gesetzgebung (Beschließen von Gesetzen) und die Verwaltung (Durchführung der Gesetze) auf den Bund und die neun Bundesländer aufgeteilt. Die österreichische Bundesverfassung regelt die Aufgabenverteilung zwischen dem Bund und den Bundesländern (Kompetenzverteilung).

Aufgaben des Bundes

Der Bund ist zum Beispiel in folgenden Bereichen allein zuständig: bei der politischen und wirtschaftlichen Vertretung gegenüber dem Ausland, bei den Bundesfinanzen, beim Zollwesen, bei militärischen Angelegenheiten oder bei Angelegenheiten des Zivildienstes. Hier beschließt der Bund die Gesetze und sorgt für die Vollziehung durch eigene Bundesverwaltungsbehörden.

Bundesverwaltung

  1. Unmittelbare Bundesverwaltung
    Einen Teil seiner Aufgaben erledigt der Bund in der Vollziehung selbst. Dazu gibt es eigene staatliche Einrichtungen (= Behörden) des Bundes. Solche Behörden des Bundes sind zum Beispiel die Finanzämter und die österreichischen Botschaften im Ausland. An der Spitze aller Bundesbehörden stehen der Bundeskanzler/die Bundeskanzlerin und die jeweiligen Bundesminister/innen.
  2. Mittelbare Bundesverwaltung
    Einen anderen Teil seiner Aufgaben erledigt der Bund in der Vollziehung nicht selbst, sondern überträgt diese Aufgaben an die Bundesländer. Die Landesbehörden sind – unter Leitung des Landeshauptmannes/der Landeshauptfrau – an die Anordnungen des Bundes gebunden.

Aufgaben der Bundesländer

Die Bundesländer regeln ihre Aufgaben selbst. In ihren Parlamenten, den Landtagen, beschließen die Länder die Gesetze und sorgen für deren Vollziehung. In jedem Landtag führt ein Landtagspräsident/eine Landtagspräsidentin den Vorsitz.

Allein zuständig sind die Bundesländer für alle Bereiche, die laut Verfassung nicht in die ausdrückliche Kompetenz des Bundes fallen. Zum Beispiel sind die Bundesländer zuständig für Kindergärten, den Jugendschutz und den Naturschutz. Die Bundesländer bestimmen auch, wo gebaut werden darf und was gebaut werden darf (Raumordnung und Baurecht).

Landesverwaltung

Die Aufgaben der Bundesländer vollziehen die Landes(verwaltungs)behörden. Die oberste Behörde jedes Bundeslandes ist die Landesregierung. Diese besteht aus dem Landeshauptmann bzw. der Landeshauptfrau und den Landesräten und Landesrätinnen.

In Wien stehen der Bürgermeister/die Bürgermeisterin sowie die Stadträtinnen/Stadträte an der Spitze der Stadt und ihrer Verwaltung.

Die einzelnen Bundesländer gliedern sich in politische Bezirke. Die Verwaltung der Bezirke (durch Bezirkshauptmannschaften und Magistrate) gehört ebenfalls zur Landesverwaltung.

Gemeindeverwaltung

Für viele Dinge, die die Menschen täglich betrifft, sind die Gemeinden zuständig. Typische Beispiele sind örtliche Bauangelegenheiten, die örtliche Gesundheit, das Meldewesen oder die örtliche Raumplanung.

An der Spitze jeder Gemeinde steht ein Bürgermeister/eine Bürgermeisterin. Er/Sie ist für die Verwaltung der Gemeinde verantwortlich.

Man unterscheidet zwischen dem:

  1. eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde:
    Im eigenen Wirkungsbereich können die Gemeinden selbst und ohne Weisungen des Bundes oder Landes entscheiden. Sie sind ermächtigt, Verordnungen oder Einzelentscheidungen wie Bescheide zu erlassen. Beispiele sind das Bestellen der Gemeindeorgane (Bürgermeister/in, Gemeindevorstand, Gemeinderäte/Gemeinderätinnen), die Einhebung von Gemeindesteuern, das Gemeindebudget oder die Erhaltung von Gemeindestraßen. Jedes Bundesland muss aber darauf achten, dass die Gemeinden ihre Aufgaben erfüllen.
  2. übertragenen Wirkungsbereich:
    Hier erledigen die Gemeinden Verwaltungsangelegenheiten für den Bund oder für das Land. Die Gemeinde ist dabei an Weisungen des Bundes oder Landes gebunden. Beispiele sind das Standesamtswesen, die Erfassung der Wahlberechtigten in der Wählerevidenz, die Mitwirkung bei der Durchführung von Wahlen (wie Nationalrats-, Bundespräsidenten- oder Landtagswahlen), die Mitwirkung bei der Durchführung von Volksbegehren und Volksabstimmungen, usw..

Was bedeutet der Bundesstaat für das tägliche Zusammenleben?

Österreich ist ein Bundesstaat. Die politische Macht ist auf den Bund, die Bundesländer und die Gemeinden verteilt. Entscheidungen werden nicht nur auf der Ebene des Bundes getroffen, sondern auch auf der Ebene der Bundesländer und Gemeinden. Dadurch liegen politische Entscheidungen auch näher bei den Bürgerinnen und Bürgern. In einem kleinen Dorf gibt es oft andere Fragen und Probleme als in einer Großstadt. Der Bundesstaat stellt sicher, dass den jeweiligen Lebensumständen der Bürgerinnen und Bürger bestmöglich entsprochen werden kann.

Da die staatliche Macht auf mehrere Ebenen verteilt ist, gibt es auch verschiedene Wahlen, bei denen österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger ihre Stimme abgeben können. In den Bundesländern werden zum Beispiel die Landtage gewählt, in den Gemeinden der Gemeinderat. Dadurch hat das Volk die Möglichkeit, sein demokratisches Mitbestimmungsrecht zu nützen.

Auch eine aktive politische Beteiligung als Kandidatin oder Kandidat ist für Bürgerinnen und Bürger in einem Bundesstaat leichter. Die Zahl der Stimmen, die man braucht, um in einen Gemeinderat oder einen Landtag zu kommen, ist kleiner. Dadurch ist es einfacher, sich in der eigenen Gemeinde oder im eigenen Bundesland politisch zu engagieren. Für den Nationalrat brauchen die Kandidatinnen und Kandidaten mehr Stimmen, um gewählt zu werden. Außerdem ist es häufig leichter, die Mitbürgerinnen und Mitbürger der näheren Umgebung zu mobilisieren.

Bei Gemeinderatswahlen dürfen unter bestimmten Voraussetzungen auch EU-Bürger/innen ihre Stimme abgeben.

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